Bokeh [bo-keh] von japanisch boke = unscharf, verschwommen

Bildbeispiel BokehDer Begriff Bokeh scheint aus Japan zu kommen und wird, mittlerweile nicht nur dort,  in Fachzeitschriften bei Objektivtests zusammen mit anderen Größen beschrieben. Er ist kein numerischer Wert, seine Angabe erfolgt im Bereich von gutem bis schlechtem Bokeh.

Wie wir bereits festgestellt haben, können Motive nur in einer Ebene wirklich scharf abgebildet werden. Punkte außerhalb dieser Schärfeebene werden nicht als Punkte, sondern als sogenannte Zerstreuungskreise abgebildet, die umso größer ausfallen, je weiter sie von der eigentlichen Schärfeebene entfernt sind.
Der Begriff Bokeh bezieht sich auf die Eigenschaften dieser Zerstreuungskreise und beschreibt das Abbildungsverhalten eines Objektivs in unscharfen Bildbereichen.

Bokeh wird durch zwei Faktoren bestimmt:

 - der Blendenform

- der Art und Weise der optischen Korrektur des Objektivs.

 

Blendenform

Jeder Punkt welcher außerhalb der Schärfeebene liegt, wird als Zerstreuungskreis vergrößert dargestellt und nimmt dabei die Form der Blende an.
Formt diese ein Achteck, so werden die Zerstreuungskreise ebenfalls achteckig dargestellt. Diese Zerstreuungskreise werden besonders sichtbar in hellen Punkten auf dunklem Grund, z.B. als Spitzlichter auf einer Wasseroberfläche oder den Lichtern einer Stadt bei Nacht.
Gerade für Nachtaufnahmen, available Light oder Innenaufnahmen bei denen nicht geblitzt werden darf (z.B- im Museum, oder im Zoo) sind lichtstarke Objektive das Werkzeug der Wahl, ebenso eignen sie sich besonders für Aufnahmen mit selektiver Schärfe. Sie sollten dann jedoch über eine Blende mit vielen Lamellen verfügen, welche idealerweise dann auch noch so eingebaut sind, dass sie einen Kreis bilden. Auch wenn eine runde, oder möglichst "zackenfreie" Bauform der Blende noch kein Garant für gutes Bokeh ist! Das negative Extrem in Bezug auf die Abbildung von Zerstreuungskreisen stellen Spiegellinsenobjektive dar, welche aufgrund ihrer ringförmigen Öffnung ziemlich auffällig im Bild erscheinen.

Der Korrekturzustand einer Optik

Um eine scharfe Abbildung zu erreichen, sollten alle Lichtstrahlen die von einem fokussierten winzigen Punkt im Motiv ausgehen und von dort ins Objektiv fallen, wieder zu einem winzigen Punkt auf dem Film gebündelt werden.
Die Wirklichkeit ist von diesem "Idealzustand" meist nicht weit entfernt: Ein Grossteil der Lichtstrahlen fällt tatsächlich ungefähr dorthin, wo sie hin sollen, die Restlichen landen meist nur wenig daneben. Aus dem winzigen Punkt ist ein immer noch sehr kleiner Punkt geworden.
Die leicht "verirrten" Strahlen bilden eine Art Lichthof, von welchem sich der kleine Punkt nicht sehr deutlich abhebt. Ein Objektiv mit einer solchen Abbildungsqualität hat zwar eine hohe Auflösung, aber einen eher schlechten Kontrast.
Mit dem gleichen technischen Aufwand lässt sich jedoch auch ein anderer optischer Korrekturzustand des Objektivs erreichen. Ein Großteil der im Objektiv einfallenden Lichtstrahlen bildet hierbei zwar einen etwas größeren Punkt, die "verirrten" Strahlen werden allerdings in geringerem Abstand abgebildet. Die Auflösung des Objektivs ist in diesem Falle zwar etwas geringer (größerer Punkt), dafür nimmt der Kontrast des Objektivs zu, weil der Lichthof kleiner ist und der Punkt sich deshalb deutlicher vom Umfeld abhebt. Du hast in diesem Fall ein Objektiv mit geringerer Auflösung aber höherem Kontrast. Stelle Dir diesen Fall als einen breit und unscharf auslaufenden, aber spitzen Lichthaufen vor, der so zusammengeschoben wurde, dass er einen klar begrenzten Haufen ohne besonders ausgeprägte Spitze bildet.

Aus diesem Grunde ist die hochgelobte Auflösung eines Objektivs nämlich nicht alles was zählt. In diesem Bild sind solche Zerstreuungskreise sichtbar.

Bokeh ist deshalb eine Abbildungseigenschaft welche durch die Korrektur des verwendeten Objektivs erzeugt wird.

Die folgenden Bilder zeigen drei Varianten eines Zerstreuungskreises.
Unschärfekreis eines theoretischen ObjektivsDer erste Punkt  stellt den Zerstreuungskreis eines theoretischen Objektivs dar. Er ist frei von sphärischer Aberration und ohne kontrastoptimierende Eigenschaften in der Schärfeebene (tiefere Auflösung gegen höheren Kontrast). Der Zerstreuungskreis weist eine gleichmässige Helligkeitsverteilung auf und ist hart gegen das Umfeld abgegrenzt.

Korrektur Version 2Im Bild rechts ist eine andere Variante des Zerstreuungskreise dargestellt. Dieser Typ tritt im Bildhintergrund auf, wenn in der Schärfeebene der Kontrast auf Kosten der Auflösung erhöht wurde - so wie dies bei fast allen modernen Fotoobjektiven der Fall ist. Man spricht bei dieser Korrektur von überkorrigierter sphärischer Aberration.
Man erkennt diese Form daran das er hart gegen das Umfeld abgegrenzt ist und im Randbereich außerdem heller erscheint. Dies führt im Hintergrund zu schlechtem Bokeh. Helle Objekte und Kanten im ansonsten unscharfen Hintergrund werden durch diese Form der Objektivkorrektur meist stark betont und verschwinden nicht unauffällig in Unschärfe. Das geht so weit, dass Linien im Hintergrund aufgrund der hellen Kante als feine Doppellinie erscheinen und den Hintergrund und damit das Ganze Bild unruhig erscheinen lassen.
Bei dieser Art der Objektiv-Optimierung tritt jedoch im (unscharfen)Vordergrund ein Zerstreuungskreis anderen Aussehens auf, so wie er hier links abgebildet ist. Durch den sanften Übergang am Rand und aufgrund seiner spezifischen Helligkeitsverteilung werden Objekte im Vordergrund unauffällig in Unschärfe getaucht.

korrektur1Möglich ist allerdings auch die gegenteilige Korrektur, die als  - unterkorrigierte sphärische Aberration bezeichnet wird. Das Aussehen von unscharfem Hinter- und Vordergrund ist gegenüber der überkorrigierten sphärischen Aberration vertauscht. Bildelemente des Hintergrundes werden in einer sehr schönen und ruhigen Unschärfe verschwinden - der Vordergrund wird im Gegensatz dazu eher unruhig und hart erscheinen.

Bokeh ist daher eine, durch die Korrektur des Objektivs gegebene Abbildungseigenschaft.

Auch wenn der Begriff Bokeh noch lange nicht ausdiskutiert ist und vom persönlichen Empfinden des Betrachters abhängt, eine kurze Eingruppierung.

Exzellentes Bokeh

Von exzellentem Bokeh wird im allgemeinen gesprochen, wenn die Unschärfe weich und gleichmäßig verläuft. An Rändern im Unschärfebereich zeigen sich keine Farbsäume, Linien werden nicht verdoppelt, Spitzlichter erscheinen rund und ohne scharf abgegrenzte Ränder.

Gutes Bokeh

Im Falle eines guten Bokeh verläuft die Unschärfe weich und gleichmäßig, in den Bildecken sind im Unschärfebereich vereinzelt kleine Farbsäume. Linien sind jedoch nicht verdoppelt, Spitzlichter unter Umständen leicht polygonal, aber noch ohne allzu scharf abgegrenzte Ränder.

Schlechtes Bokeh

zeigt sich durch einen unruhigen Unschärfebereich, der dadurch unangenehm auffällig wird. Kanten im Hintergrund erscheinen verdoppelt und sind so deutlich, dass sie den Bildeindruck deutlich zu stören vermögen. Kontrastreiche Bereiche im Hintergrund zeigen oft ins violette gehende Farbsäume. Zu den Bildecken hin erscheinen verstärkte Farbverschiebungen. Spitzlichter bilden polygonale Form bei deutlich abgegrenzten Kanten, von ihren Ecken scheinen gelegentlich Strahlen auszugehen.

Bokeh gewinnt vor allem dann an Bedeutung, wenn große Bildanteile mit nicht sehr hellem Grund unscharf gehalten werden sollen . Gerade hier können bei schlechtem Bokeh Spitzlichter oder Kanten überdeutlich negativ hervortreten.

Gutes Bokeh ist deshalb besonders wichtig für:

    • Portrait-,
    • Available-Light-Fotografie,
    • Nachtaufnahmen und zur
    • Gestaltung mit selektiver Schärfe.

Im Gegensatz dazu ist Bokeh von geringerer Bedeutung bei Aufnahmen

    • von Objekten ohne Tiefenausdehnung, wie Repro oder Vergrößerungen,
    • mit hyperfokaler Distanzeinstellung, wenn sich die Schärfentiefe bis Unendlich ausdehnt (Weitwinkelobjektive),
    • mit hellem Hintergrund, weil sich Spitzlichter dort schlecht abzeichnen,
    • mit kleineren Blenden oder lichtschwächeren Objektiven, da hier die Zerstreuungskreise kleiner werden.

Gutes Bokeh stellt nie ein Problem dar, schlechtes Bokeh ist jedoch eines, wenn Du bemerkst, dass  Du mit einem Objektiv nicht warm wirst, ohne sagen zu können worin genau Dein Problem besteht. Wenn man Bewertungen zu Objektiven ließt kann man das immer wieder feststellen. Viele, auch vermeintlich gute Objektive, haben  offenbar schlechtes Bokeh. Dieses ist zum Teil sicherlich darin begründet, dass immer noch in den meisten Objektivtest die Punkte Auslösung und Kontrast Punkte geben, das nicht meßbare und daher sehr subjektive Bokeh aber nicht.

Welche Objektive haben gutes Bokeh?

Mal ganz abgesehen von so richtig schlechtem Bokeh ist eine solche Beurteilung Geschmacksache und steht immer in Verbindung mit der fotografischen Aufgabe. Als Hilfe dafür hier ein paar allgemeine Hinweise:

    • Tendenziell haben Objektive älterer Bauart gutes Bokeh.
    • Normal- und kurze Teleobjektive mit mäßiger Lichtstärke weisen meist ein besseres Bokeh auf. Weitwinkelobjektive nach dem Retrofokusprinzip und auch Zoomobjektive mit großem bis sehr großem Zoombereich haben meist ein vergleichsweise eher schlechteres Bokeh.

Retrofokusobjektive sind bei KB-(D)SLR häufig bei Brennweiten unter 40mm anzutreffen.
Eine kurze Erklärung: Die Schnittweite eines Objektivs, d.h. der Punkt auf den das Objektiv die Lichtstrahlen scharf sammelt, (also genau dort wo Dein Film/Sensor liegen sollte), entspricht üblicherweise der Brennweite des Objektives.
BalgenauszugDeutlicher, als Du es an einer KB-Kamera erkennen kannst, siehst Du dieses am Auszug einer GF-Kamera. Dieser entspricht, sofern auf Unendlich fokussiert wurde, der Brennweite des verwendeten Objektivs. Das funktioniert so nicht mit Teleobjektiven, wie schon im betreffenden Kapitel angesprochen, ist deren Schnittweite kürzer als die Brennweite.
Bei Objektiven kurzer Brennweiten an (D)SLR ist diese Schnittweite jedoch so kurz ist, dass der Spiegel (der ja zur Belichtung aus dem Strahlengang geschwenkt werden muss), nicht mehr zwischen Objektiv und Film passt. Hier „helfen“ Retrofokusobjektive, denn bei ihnen ist die Schnittweite, so weit nach hinten verlängert, das man den Spiegel wieder in die Kamera einbauen kann.
Ein ähnliches Problem haben GF-Kameras mit dem Balgen. Bei kurzen Brennweiten "trägt" ein normaler Falten-Balgen zu dick auf, d.h. man kann die Kamera nicht weit genug zusammenschieben. Abhilfe verschafft ein Weitwinkelbalgen, das ist ein flexibler "Sack" aus lichtdichtem Material, der nicht zusammengepresst werden muss. Falls das nicht reicht, oder der Balgen nicht auswechselbar ist, benötigt man eine versenkte Objektivplatine, die das Objektiv im Prinzip hinter die Standarte bringt.

Woher stammt der Begriff Bokeh?

Vermutlich ist der Begriff bokeh die Verenglischung eines japanischen Begriffes. Auf verschiedenen Seiten im Web findet man folgende Herkunftserklärung (funktioniert nur in Englisch):
Apparently there was an English-born Canadian, who while vacationing in Japan was shown some pictures of the English Royal Family. In the background, quite out of focus, was Prince Phillip. The Canadian pointed to Prince Phillip and said to his Japanese host, "Now, there's a great bloke, eh?"

Damit endet das Kapitel Fünf, das nächste wird sich mit fotografischem "Zubehör" beschäftigen. Der erste Abschnitt behandelt den Belichtungsmesser. 

Sehr schöne Bildbeispiele und Texte (allerdings in Englisch) zu diesem Thema finden sich bei Kurt Munger.

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