Drachen in China
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- Geschrieben von Thomas
- Kategorie: Geschichte der Drachen
- Veröffentlicht: 28. Mai 2014
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Der tatsächliche Ursprung der Drachen ist heute nur noch sehr schwer feststellbar.
Es gibt zur „Erfindung" des Drachens verschiedene Theorien. Eine berichtet von einem Chinesen, dessen Hut vom Wind von seinen Kopf gerissen wurde, jedoch am Nackenband hängen blieb und dann wie ein Drachen im Wind flog.
Eine zweite Theorie geht davon aus, dass versucht wurde, die Banner von Würdenträgern weiter sichtbar zu machen. Daher wurden diese Banner mit einem hölzernen Rahmen versehen und nicht mehr an einem Stab befestigt, sondern an einer Schnur geflogen.
Eine weitere Theorie, von der ich gelesen habe, besagt, dass die Erfindung des Drachens von Segeln inspiriert wurde, welche dann nicht an einem Mast, sondern nur an Seilen befestigt wurden. Segel sind in China seit über 3000 Jahren in Nutzung. Die erste bisher bekannte geschichtliche Erwähnung von Drachen als Flugobjekt stammt aus dem China des 5. Jahrhunderts v. Chr.
Im Jahre 478 v.Chr. soll der chinesische Philosoph Mo Zi, nach drei Jahren Bauzeit einen hölzernen Vogel (Habicht, anderswo wird von einem Adler berichtet) gebaut haben, welcher einen Tag lang geflogen sein soll. Manche Webseiten schreiben auch, dass dieser Drachen einen Menschen trug. Mo Zi, soll seine an diesem Projekt gewonnenen Kenntnisse an einen seiner Schüler (Gongshu Ban oder auch Lu Ban) weiter gegeben haben. Dieser soll dann einen Drachen, in Form einer Elster, aus Bambus und Seide gebaut haben, welcher drei Tage lang durchgehend geflogen sein soll.
Da aber Drachen auch noch an anderer Stelle in der chinesischen Literatur auftauchen sollen, wird das 5. Jahrhundert v. Chr. für das erste Auftauchen der Drachen gar nicht so verkehrt sein.
Wiederum andere Web-Seiten beziehen sich auf Aufzeichnungen des Drachensteigens die aus dem zweiten Jahrhundert v. Chr. datieren und aus China, Japan und Polynesien stammen sollen.
Dort wird z.B. von einer frühen militärischen Anwendung berichtet: der chinesische General Han Hsin, aus der Han-Dynastie (206 v. bis 220 n.Chr.), ließ einen Drachen über die Mauern einer Stadt fliegen, die er angreifen wollte. Er wollte auf diese Weise herausfinden, wie lang die Tunnel gegraben werden mussten um bis hinter die Abwehrlinien ihrer Gegner zu kommen. Mit der Kenntnis dieser Distanz untertunnelten seine Truppen die Stadt, erreichten deren Inneres, überraschten ihre Gegner und siegten.
Zu Zeit der Tang Dynasty (618-907) wandelte sich die Nutzung vom militärischen Gerät zu der eines Spielzeugs oder Freizeitgerätes am kaiserlichen Hof. Es dauerte nicht mehr lange und Künstler wetteiferten in der Herstellung des schönsten, buntesten, künstlerischsten... Drachens. Die Drachen bestanden hauptsächlich aus Bambusstäben und Seide. Weil Seide auch damals schon teuer war, verbreitete sich der Drachen nur langsam.
Das änderte sich erst, als Papier entwickelt wurde und breiteren Schichten zu günstigem Preis zugänglich wurde.
Im 9. Jahrhundert soll ein Palastarbeiter an einem Drachen Bambus-Flöten angebracht haben, welche im Flug Töne erzeugten. Drachenflöten werden auch heute noch verwendet.
Während der Ming- (1368-1644 n.Chr.) und der Qing- (1644-1911n.Chr.) Dynastie, wurde die Herstellung und das Fliegen von Drachen zu einer Art Kunst. Die Drachen wurden zu Gegenständen mit ausgesuchten und farbenfrohen Verzierungen in der Form von Blumen, Tieren, Blüten oder auch Kalligraphien. Da aber statt Seide auch Papier verwendet wurde, wandelte sich das Drachen steigen lassen nun auch zu einer Freizeitbeschäftigung für das gemeine Volk.
Die Gestaltung der meisten chinesischen Drachen hat eine symbolische Bedeutung oder ist eine Darstellung aus der chinesischen Folklore oder Geschichte. Schildkröten, Kraniche oder Pfirsiche stehen für ein langes Leben, Fledermäuse sind ein Zeichen für Glück, Schmetterlinge und Blumen symbolisieren Harmonie und ein Drachen stellt Kraft und Wohlstand dar.
Seit dieser Zeit hält man das Drachen steigen lassen für eine gesunde Beschäftigung. Das Aufblicken zu einem Drachen soll das Augenlicht verbessern. Auch soll sich beim Aufblicken zu einem Drachen die Yin-Yang Balance verbessern, durch das Legen des Kopfes in den Nacken öffnet sich der Mund leicht und überschüssige Hitze kann den Körper verlassen
Es entstand auch eine Art Aberglaube die Drachen betreffend. Man ließ Drachen möglichst hoch steigen und durchschnitt dann die Schnur, damit sie Gebete zu den Göttern tragen, oder Krankheiten und Pech zusammen mit dem Drachen vom Wind weggetragen wurden. Auch glaubte man, je höher der Drachen stieg, desto wohlhabender würde der Besitzer werden. In vielen Gegenden hält dieser Glaube auch heute noch an. Das Aufheben eines Drachens, welcher jemand anderem weggeflogen ist, solle Unglück bringen. Derjenige, der einen abgestürzten Drachen eines anderen findet, soll ihn verbrennen.
In China werden auch heute noch, zu besonderen Familienfesten, wie etwa Hochzeiten, Centipeden-Drachen möglichst hoch steigen gelassen und dann die Schnur abgeschnitten. Diese Drachen sollen dann die Gebete und guten Wünsche für das Brautpaar zu den Göttern tragen. Ähnliche Bräuche gibt es auch in anderen asiatischen Ländern.
Immer wieder wurde der Drachen auch militärisch genutzt. Ein eingekesselter General soll befohlen haben, Harfen an Drachen zu befestigen und diese bei Nacht über das gegnerische Lager zu fliegen. Gleichzeitig sandte er Spione in das gegnerische Lager, welche dort, als die heulenden Geräusche hörbar wurden, das Gerücht verbreiteten, es handle sich dabei um eine Warnung der Götter vor dem Verlust der Schlacht am folgenden Tag. Der Feind floh in Panik.
Wiederholt wird davon berichtet, dass eingeschlossene Truppen versuchten durch das steigen lassen von Drachen Hilfe von außerhalb herbeizuholen.
Chinesische und japanische Heerführer verwendeten Drachen um Befehle an Ihre Truppen zu geben, da diese auch im dichten Schlachtgetümmel oder in und hinter Wäldern zu erkennen waren.
In China, aber auch in Japan baute man riesige manntragende Drachen, um aus der Luft gegnerische Stellungen oder Truppenbewegungen zu beobachten, Propaganda-Flugblätter abzuwerfen, oder um als Plattform für Heckenschützen zu dienen. Alte chinesische und japanische Drucke zeigen Krieger welche über gegnerischem Territorium fliegen.
Drachen verbreiteten sich rasch in ganz Asien.
Während der Kulturrevolution war das Drachenfliegen verboten und einige chinesische Drachenbauer, welche das Verbot ignorierten wurden zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt und alle ihre Drachen durch die Roten Garden zerstört. Andere Drachenbauer, welche ihre Fähigkeiten und die alten Traditionen erhalten wollten, begannen im Geheimen Miniaturdrachen zu bauen. Diese Drachen sind heute bei Sammlern sehr begehrt. Die derzeitige Regierung fördert den Drachenbau und das Drachenfliegen als gesunde Beschäftigung, ebenso wie den Bau und Export von Drachen, welcher der Volkswirtschaft zu Gute kommt.
WeiFang hat sich bereits in der Ming- und Qing-Dynastie zum Haupt-Herstellungsort von Drachen in China entwickelt. Seit 1984 findet hier alljährlich vom 20-25. April das größte internationale Drachenfest der Welt statt. Im Jahr 1988 wurde Weifang zur Drachen-Hauptstadt der Welt erklärt, und 1989 wurde hier die International Kite Association gegründet. Hier findet sich auch das einzigartige Drachenmuseum. Von weitem gesehen, erinnert das Gebäude an einen Centipeden.
Der typische Drachen Weifangs ist der Centipede mit Drachenkopf in vielen Variationen.
Der Centipede-Drachen war ursprünglich ein Drachen, der nur für den Kaiser gebaut wurde, und den nur dieser fliegen durfte. Er galt als ein Glückssymbol und wurde in der Qing-Dynastie (1644–1911) so hoch wie möglich geflogen, um dann die Leine zu kappen und den Drachen dem Wind zu überlassen. Man glaubte, damit das auch alle Sorgen und Gefahren davon fliegen.
Der mythologische Drachen ist im chinesischen Volksglauben Sinnbild für Weisheit und Stärke, und verheißt Glück. Er ist ein Sinnbild der Würde des chinesischen Volkes. Der Centipede aus Weifang repräsentiert somit auch die traditionelle Glaubens- und Gedankenwelt des Volkes.
Der Drachenkopf existierte im Drachenbau bereits schon längere Zeit. Centipeden (Tausendfüssler) bestehen aus einem Drachen-Kopf und einer Kette gleichfoermiger Scheiben die mit einer oder mehreren (meist drei) Leinen verbunden sind. Sie besitzen eine hohe Zugkraft. Das Flugbild ist sehr eindrucksvoll und wirkt durch die vom Wind ausgelöste Bewegung der Drachenkette sehr lebendig und ausdrucksstark. Die Kombination von Drachenkopf mit Scheibenkörper ist jedoch eine Erfindung der Neuzeit.