Die Graukarte
- Details
- Geschrieben von Thomas
- Kategorie: Kapitel Zwei
- Veröffentlicht: 14. Dezember 2011
- Zugriffe: 16340
Damit weltweit jeder Belichtungsmesser und jede Kamera das Gleiche messen, braucht man eine Referenz. Diese stellt die Standard-Graukarte dar. Anhand der Reflexion von Licht durch diese Karte ist jeder Belichtungsmesser eingestellt worden.
Graukarten gibt es in verschiedenen Ausführungen. Sie besteht meist aus einem dickeren Karton oder Kunststoff, der auf mindestens einer Seite neutral grau eingefärbt ist. Neuere Graukarten sind von der Rückseite weiß gefärbt, beide Seiten sind so hergestellt, das sie auch bei unterschiedlichen Lichtfarben den gleichen Reflektionsgrad haben. Deshalb sollte man auch nicht versuchen, sich diese um Geld zu sparen selbst auszudrucken. Was Du tun kannst, falls Du mal eine brauchst und keine dabei hast, folgt in einem folgenden Abschnitt dieses Kapitels.
Diese Karten sind für die graue Seite mit 18%, für die weiße Seite mit 90% Reflexion festgelegt. Karten mit weißer Rückseite kamen verstärkt mit der digitalen Fotografie auf den Markt, um einen Weißabgleich durchführen zu können. Auch wenn einem der Wert seltsam vorkommt, 18% Reflektion stellt die Mitte des darstellbaren Kontrastumfanges dar und ist deshalb Referenz für die Einstellung von Belichtungsmessern.
Davon abgesehen entspricht diese reflektierte Lichtmenge in etwa einem für Mitteleuropa typischen Motiv in „normaler“, freier Landschaft, bei blauem Himmel und Sonnenschein.
Misst Du vollformatig auf eine gleichmäßig beleuchtete Graukarte und stellst die angezeigten Werte an der Kamera ein, so wird Dein Bild genau so belichtet, dass die Graukarte auf dem Abzug von Deinem Negativ so abgebildet wird, wie Du sie im Original siehst, nämlich „mittelmäßig“ grau. Voraussetzung ist natürlich, dass Du den Film nach Herstellerangaben entwickelst und den Abzug nach Herstellerangaben herstellst.
Du wirst jetzt sagen: "Ist doch logisch, natürlich soll die so abgebildet werden, wie man die in Wirklichkeit sieht!". Da hast Du natürlich recht, aber behalte diese Aussage mal einen Moment im Hinterkopf, das Ganze hat nämlich auch Nachteile. Natürlich ist es egal was Du ablichtest, ob Graukarte oder Blumen. Es ist so, wie bei den Beispielbildern, egal welche (richtige) Kombination Du einstellst, das Bild das rauskommt, ist immer gleich hell!
Die Hersteller haben einfach einen Wert genommen, bei dem sie davon ausgehen konnten, das die Mehrzahl der Motive in etwa diesem Reflexionsgrad entspricht! Und genau ein solches wird "richtig" wiedergegeben. Etwas anderes geht ja ohnehin nicht, der Beli kann schließlich nichts anderes als einfallendes Licht messen. Er kann Deine Vorstellung vom Bild nicht erahnen, oder erkennen was Du gerade fotografierst. Fotografieren soll möglichst einfach sein. Wenn jeder, bevor er eine Kamera bedient, dieses Handbuch lesen müsste, wäre die Kameraindustrie pleite. (aber ich vielleicht reich!)
Auch, wenn manche moderne Kamera mittlerweile Gesichter „erkennt“ und nur dann auslöst, wenn dieses Gesicht schön lächelt, so kann sie nicht Deine gewünschte Bildaussage erkennen. Vielleicht willst Du ja gar keine lächelnden Gesichter aufnehmen, sondern das Portrait eines nachdenklichen Politikers oder Schriftstellers.
Das Thema Graukarte ist heute, im sooo schönen digitalen Zeitalter, so wichtig, das der „Erfinder“, nämlich Kodak, seine Graukarte, die sonst immer DIE Karte schlechthin war, gar nicht mehr herstellt. Es wird möglicherweise nicht mehr lange dauern, dann nimmt die Kamera dem „Fotografen“ noch mehr Arbeit ab, als nur die lächelnden Gesichter zu erkennen.
Aber bei aller Technik, die mittlerweile in die Kamera eingebaut werden kann und auch wird, sie kann trotzdem nicht erahnen, ob Du das Motiv z.B strahlend hell und leuchtend, oder lieber duster und bedrohlich darstellen willst. Nicht jedes Foto soll die „Realität“ dokumentieren, manche sollen auch Stimmungen oder Gefühle darstellen, einfach „nur“ „schön“ aussehen....
Vielleicht „lernen“ Kameras in Zukunft ja irgendwann einmal, aus zuvor mit ihr gemachten Bildern, wie und was der Nutzer gerne fotografiert, und stellt nach einer gewissen Lernphase alles für die typische Aufnahme benötigte selbst ein. Ob das wirklich besser wird, wage ich zu bezweifeln!
Doch bei allen Ausnahmen und Abneigungen, für sehr viele Motive klappt die bisherige Vorgehensweise doch eigentlich ganz gut, sonst würden nicht so viele Leute zufrieden mit ihren Kameras „vor sich hin knipsen“. Gelegentlich klappt mal irgendwas nicht so wie erwartet, aber für den „normalen“ Benutzer lag das dann an der doofen Kamera oder dem billigen Film, möglicherweise am blöden Großlabor.
Schau Dir die Kameras an! Man kann kaum noch etwas von Hand einstellen, oder nur über Umwege oder umständlich.
Etwas anderes wird Dir jetzt sicherlich klar geworden sein: Solange Du nicht, wenigstens in bestimmten Situationen in die Kamerasteuerung eingreifst, korrigierst und veränderst, zeigen Deine Bilder immer Einheits-Durchschnitts-Helligkeit! Genau deswegen enttäuschen so viele Sonnenauf- und -untergangs-, Strandstimmungs-,...Bilder. Denn genau diese sind nicht so strahlend hell, golden leuchtend, romantisch gedämpft.... oder was auch immer Du gerade gesehen hast. Sie sind genau so, wie die Kamera sie "sehen muss": 18% Reflexions-europäischer-blauer-Himmel-Sonnenschein-hell-Einheits-Durchschnittshelligkeits-Pampe!
Du willst jetzt sicherlich wissen, was Dir die Graukarte genau dagegen nützen soll! Keine Panik, da kommen wir auch noch hin! Doch dazu brauchen wir noch ein wenig mehr Informationen.
Aber vorher lade ich Dich herzlich ein, mit mir ein Gedankenexperiment durchzuführen. Wenn wir damit fertig sind, werden die Bildbeispiele Dich nicht mehr sonderlich überraschen.